Ausgerechnet am Abendmahl hat sich immer wieder unerbittlicher Streit, sogar blutiger Krieg entzündet. Was ursprünglich als Gemeinschaftsmahl der Christenheit begann, was innige Verbindung zwischen Christus und der im Gottesdienst zelebrierenden Gemeinde symbolisieren sollte, wurde zur Bekenntnisfrage, zum Anlaß für Ausgrenzung und zur Spaltung der Kirche…
Dabei fing alles so wunderbar an: Jesus und seine Jünger haben wohl sehr oft miteinander gegessen und auch miteinander gefeiert. Besonders die festlichen Mahlzeiten während der Passahfeier waren wirkliche Höhepunkte in der gemeinsamen Zeit der jungen Männer, die gemeinsam durch Judäa und Galiläe zogen und viele Monate Zeichen und Wunder erlebten. Die Worte Jesu, und noch mehr das, was er tat, seine Ausstrahlung und die spürbare Liebe, die ihn umgab, haben sie zusammengeschweißt zu einer Gruppe von Menschen, die bereit war, Gegenwart und Zukunft miteinander zu teilen, füreinander zu leben, und wenn es sein musste, auch füreinander zu sterben. „Wohin sollten wir gehen?“ sagten die Jünger zu Jesus, „Du hast Worte des ewigen Lebens. Durch Dich erkennen wir, wie Gott wirklich ist!“
Nun feiern sie miteinander die Seder, das zeremonielle Abendessen, das die Juden seit der Zeit des Exils daran erinnert, wie Moses ihre Väter aus dem „Sklavenhaus“ Ägyptens befreit hat und sie durch die Wüste in das „Gelobte Land“ am Jordan brachte. Eilig, beinahe über Nacht mussten sie aufbrechen und das Land verlassen, daran erinnern die ungesäuerten Brote, die bitteren Kräuter, die wenigen Becher Wein und der Lammbraten, der im Stehen gegessen wurde, in Reisekleidung, gegürtet und vorbereitet, als ob man gleich aufbrechen würde.
Blut an der Tür erinnert daran, dass der Todesengel damals an den Häusern der Israeliten vorbei ging, als in jeder ägyptischen Familie der erstgeborene Sohn starb „durch die Hand des Herrn“, so dass der Pharao schließlich nicht nur darauf verzichtete, die Israeliten als Sklaven zum Bau seiner Städte zu verpflichten, sondern sie in großer Verzweiflung und voller Hass aus dem Land vertrieb…
Doch dieses Mal geschah bei dem Fest etwas Besonderes…
Jesus nahm das Brot, sprach das vorgeschriebene Dankgebet und brach es in Stücke. Dann gab er es seinen Jüngern und sagte dabei: „Nehmt, eßt! Dies ist mein Leib, der für euch dahingegeben wird.“ Danach nahm er den Kelch mit dem Wein, reichte ihn seinen Jüngern mit den Worten: „Nehmt und trinkt alle daraus! Dieser Kelch ist mein Blut, das für euch und für viele andere vergossen wird. Tut das immer wieder und erinnert euch dabei an mich!“
Jesus hat so das Mahl, die Zeremonie, die in den jüdischen Familien seit vielen Jahrhunderten gefeiert wurde, mit einem neuen, ganz anderen Sinn erfüllt. Die ersten Christinnen und Christen, die hin und her in ihren Häusern dieses Mahl aßen, sahen in Jesus das „Lamm Gottes, das die Sünden der Welt trägt“; als Zeichen für Jesu Tod und Auferstehung war es neben der Taufe das wichtigste, das konstituierende Merkmal ihre Versammlungen.
Schon bald gab dieser Brauch Anlaß zu Mißverständnissen und unhaltbaren Vorwürfen gegen die kleinen christlichen Gemeinden: ihnen wurde vorgeworfen, in ihren geheimen Versammlungen Blut zu trinken und Menschenfleisch zu essen. Vielleicht war dieses Vorurteil einer der Auslöser für die ersten Christenverfolgungen im römischen Reich…
Überall in der damals bekannten Welt wurde das Mahl mit Brot und Wein gefeiert, oft in Verbindung mit einem“Liebesmahl“, der Agape, in der die versammelte Gemeinde mit einem manchmal sogar üppigen Essen ihre Gemeinschaft bekräftigte.
Als die Gemeinden größer wurden und das gemeinsame Feiern der Agape und der Eucharistie immer „unpraktischer“, umständlich und komplizierter wurde, ging man dazu über, statt Brot Hostien oder „Oblaten“ zu verwenden, auf denen oft ein Kreuz oder das Christusmonogramm eingeprägt war. „Dies ist mein Leib…“ – Hoc est enim corpus meum…
Den Wein trank oft nur der leitende Priester, da die Gefahr, das heilige geweihte Nass zu verschütten, einfach zu groß war. Denn Brot und Wein symbolisierten nicht nur Leib und Blut Christi, sie waren Leib und Blut Christi, denn in der Zeremonie geschah die Wandlung, die Transsubstantiation, durch die Christus vergegenwärtigt wurd, durch die sich die Realpräsenz ereignete…
Mit der immer wichtiger werdenden dogmatischen „Aufladung“ der Eucharistie wurde auch der Streit, der sich um die vielen verschiedenen Deutungen entzündete, heftiger, wütender, sogar brutaler.
Die vielen theologischen Feinheiten, die eine um Rechtgläubigkeit bemühte Kirche in ihre Katechismen schrieb, wurden vom „einfachen“ Kirchenvolk oft nicht verstanden, vielleicht nicht einmal wahrgenommen. Für sie grenzte die „Wandlung“ an Zauberei. Wenn der Priester die Worte „Hoc est Corpus…“ zitierten, verstanden sie es als Beschwörung. Das Wort Hokus Pokus hat wohl hier seinen Ursprung.
Inzwischen hat sich die Christenheit weltweit ausgebreitet, und nicht nur in Europa gibt es Christen. Wo es gar nicht üblich ist, im gemeinsamen Mahl Brot und Wein zu essen, hat sich die Form des Abendmahls erstaunlich flexibel angepasst. In Ostasien feiert man die Eucharistie auch mit Reis und Sake, in Gemeinden der Inuit auch mit Öl und Walfleisch. Nicht nur in Jugendgottesdiensten wurde auch schon mit Chips und Cola gefeiert. Überall findet eine Art „Inkulturation“ statt, durch die Christinnen und Christen sich die Tradition der Kirche zu eigen machen, indem sie das Mahl ihrer Kultur anpassen.