Der Himmel – automatisch…

Liebe Gemeindeglieder
und Freunde in den Gemeinden
rund um den Flughafen!

 

Es ist schon faszinierend, wie viel Arbeit in unserem High-Tech-Zeitalter von Maschinen übernommen werden kann. Waschmaschinen und Geschirrspüler erleichtern unsere Hausarbeit, Anrufbeantworter und Video-recorder vertreten uns, wenn wir nicht zu Hause sind. In den modernen Fabriken werden ganze Produktionszusammenhänge von vollautomatischen Robotern ausgeführt. Wenn man einmal einen solchen Roboter bei der Arbeit gesehen hat, beschleicht einen das beinahe unheimliche Gefühl, dass da etwas Lebendiges am Werk ist, etwas Intelligentes, das weiß, was es tut und wozu…

Zur Zeit Jesu war an solche Technik natürlich nicht einmal im Traum zu
denken. Es gab aber die Faszination der Natur und das Erstaunen, das die Menschen empfinden, wenn sich etwas „von allein“ entwickelt, wenn etwas wächst, ohne dass sich ein Mensch darum kümmert…

Das Reich Gottes ist so, wie wenn ein Mensch Samen aufs Land wirft und schläft und steht auf Nacht und Tag; und der Same geht auf und wächst, ohne dass er’s weiß. Denn die Erde bringt von selbst Frucht, zuerst den Halm, danach die Ähre, danach den vollen Weizen in der Ähre. Wenn sie aber die Frucht gebracht hat, so schickt er alsbald die Sichel hin; denn die Ernte ist da. Markus 4, 26

Das Senfkorn, das so winzig klein ist und doch – in ganz kurzer Zeit! – zu einem großen Baum werden kann; die Saat, die ganz von allein wächst und Frucht bringt dreißig, sechzig und hundertfältig; die Kraft des Lebendigen, die sich durchsetzt im Kampf gegen Trockenheit und Dornen, das waren Bilder, die die Menschen damals ebenso faszinieren konnten wie uns die Technik heute. Jesus hat solche Bilder in seinen Gleichnissen aufgenommen, um seinen Jüngern die Wirklichkeit Gottes nahe zu bringen.

Wenn es um ein Gleichnis geht und nicht um eine Allegorie, dann muss man zuerst gucken: Was wird hier womit verglichen? Was ist das Bild, und welche Sache beschreibt es?

Mit dem Reich Gottes, so beginnt das Gleichnis, ist es wie mit einem Mann, der seinen Samen sät… Worum geht es aber, wenn vom Reich Gottes die Rede ist?

Das Reich Gottes ist das Ziel der Verheißung Gottes, es ist unsre Hoffnung. „Blinde werden sehend, Lahme gehen, den Gefangenen wird die Freiheit gepredigt und den Zerschlagenen die Erlösung, denn Gott ist gnädig.“ Das sind die Zeichen des Reiches Gottes.

Mir fällt auf, dass in der Bibel vom Reich Gottes viel eher gesagt wird, was es nicht ist, als dass man erfährt, was es denn eigentlich ist. Was darum in der Bibel über das Königreich Gottes gesagt ist, ist alles nur eine schwache An-näherung an das Eigentliche, nur ein Versuch, etwas darüber zu sagen, und fast immer wird auch das Gegenteil gesagt.

Vom Reich Gottes kann niemand sagen: „Hier ist es oder dort…“, denn es ist immer erst im Kommen, in dieser Weltzeit nie erfüllt. Und doch: In dem, was Jesus ist und in dem, was er tut, ist das Reich Gottes schon unter den Menschen gegenwärtig: „Siehe, es ist mitten unter euch!“ Auch wenn wir nicht sagen könnten, wo, so wissen wir doch, dass – wie Samenkörner – schon Anfänge der Gottesherrschaft „mitten unter uns“ geschehen.

„Ein Mensch wirft Samen auf das Land und schläft und steht auf Nacht und Tag; und der Same geht auf und wächst, ohne dass er’s weiß. Denn die Erde bringt Frucht von allein…“

Automatae, von selbst, steht hier im Griechischen; und dieses Wort kommt im ganzen Neuen Testament nur hier vor, ein einziges Mal. Das ist aber der springende Punkt in diesem Gleichnis: Von selbst, ohne dass man’s weiß, wächst hier der Same und bringt Frucht. Auf dieses Wort kommt es in diesem Gleichnis an, denn das haben Samenkorn und Gottesreich gemeinsam.

Was also Jesus mit diesem Gleichnis sagen will, ist das: Das Reich Gottes ist nicht eure Sache. Es kommt ohne eure Arbeit, so sicher wie aus einem Samenkorn die Ähre und die Frucht wächst. Nichts könnt ihr dazu tun. Das Reich Gottes kommt von allein. Nichts könnt ihr beschleunigen. Es kommt zu seiner Zeit, aber es kommt sicher. Es ist allein Gottes Sache.

Was wir brauchen, ist Geduld. Warten können ist nicht unsere Stärke. Es ist vor allem schwer, weil wir so viel vom Reich Gottes brauchen können. Ungeduldig sehen wir auf die Schrecken und Katastrophen unserer Zeit, blicken auf das Leiden unserer Mit-menschen. Wie sehr warten wir darauf, dass er Frieden schafft und Gerechtigkeit wiederherstellt. Wir würden auch mithelfen, mit bauen am Reich Gottes… Wir wollen helfen, heilen, die Welt verändern, sie so gestalten, wie sie unserer Ansicht nach sein sollte.

Das Reich Gottes ist aber, so sagt es Jesus in diesem Gleichnis; das Reich Gottes ist letzten Endes nichts, was wir uns erarbeiten und erkämpfen können; sondern eher ein Prozess, der fast wie von selbst abläuft.

Sind wir darum zu Zuschauern degradiert? Wird uns das Reich Gottes übergestülpt wie ein unverdienter Lorbeerkranz? Dies ist die Angst von Menschen in unserer Leistungsgesellschaft, die sich gerade die wichtigen und zentralen Dinge selbst erarbeiten und verdienen wollen. Die Menschen einer Agrargesellschaft hatten dagegen noch einen Blick für das Geschenkhafte in allem, was sie sich erarbeiten.

Wenn wir diesen Blick aus den Augen verlieren, werden wir verzweifeln, trotz aller Arbeit, die Gut und Richtig ist. Denn das Reich Gottes durch unsere Arbeit auf der Erde zu bauen, ist mehr, als in unserer Macht steht. Gutes tun und darin die Liebe Gottes weiter-zugeben an unsere Mitmenschen, das ist unsere Aufgabe. Die Dinge, die nicht in unserer Macht stehen, sollen wir Gott überlassen. Dies ist letztlich die Erfahrung, die wir mit dem Reich Gottes machen werden: Trotz allen Einsatzes, trotz aller Mühe wird es uns überraschen, trotz aller An-strengung werden wir dann das Gefühl haben, es ist uns einfach in den Schoß gefallen.

Mit sehr herzlichen Grüßen

Ihr

Richard Horn, Pfarrer

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